Grenzerfahrungen und extreme Emotionen
„Zuletzt ist es immer ein Abschied. Ein extremes Eintauchen in Lebenswelten und Emotionen, gefolgt von einem abrupten Ende.“
Patrick Wally – Kameramann
Was bedeutet es, sich als Kameraperson an den Rand der Welt zu begeben? Was braucht es, um gut gewappnet zu sein, für eine Reise in die Extreme? Welches Equipment ist ausreichend, um ohne aus der Puste zu kommen einen Gletscher Grönlands zu erklimmen und dennoch die Szenerie angemessen mit dem richtigen Objektiv einzufangen? Und wie kann der intime Moment des Sterbens, pietätvoll mit der Kamera begleitet werden?
Patrick Wally hat genau diese extremen Reisen erlebt und berichtet uns von seinen Erfahrungen. Er erzählt uns von seiner Vorbereitung und die stets rücksichtsvolle Auseinandersetzung mit seinen Protagonist*innen. Es braucht viel Feingefühl und eine gut durchdachte Vorbereitung und “eine gewisse Naivität, schadet nicht“, so Patrick.
Wichtigste Vorbereitung: Ins Gespräch gehen
Keine vier Wochen vor dem Drehbeginn in Grönland kam der Anruf und die Anfrage für den Dreh. Auf den Spuren von Alfred Wegener. Der Klimaforscher hatte vor über 100 Jahren die Beschaffenheit von Schnee und Eis minutiös dokumentiert und die dortigen Witterungsverhältnisse für die damalige Zeit genauestens studiert. Eine Gruppe von Forschern wollte es ihm nun gleich tun. Was hat sich wohl verändert?
Eine Reise nach Grönland – auf den Gletscher. Für Patrick ein spannendes Projekt, dem er direkt den Zuschlag erteilte. Er bereitete sich vor, ließ sich vom Arzt durchchecken und wägte ab, was in seinem Gepäck landete. Doch seiner Meinung nach ist die wichtigste Vorbereitung: „Sprecht mit den Expert*innen mit denen ihr unterwegs seid. Stellt ganz viele Fragen – denn egal wohin es geht, ihnen müsst ihr vertrauen.“
Es wird nicht der letzte Aufstieg gewesen sein, denn das Dokumentarfilmprojekt “Die Eisgrenze” ist noch in der Entwicklung und ein zweiter Aufenthalt auf dem Gletscher Grönlands steht in Aussicht.
Dem inneren Kompass vertrauen
Doch es gibt Situationen, auf die man sich auch mit vielen Gesprächen nicht vorbereiten kann. Eine bestimmte Szene während der Dreharbeiten zu “Lauras Choice”gehörte dazu. Sam & Kathy Henkel – Mutter und Tochter, begleiten ihre Oma und Mutter zum Sterbebett. Denn Laura beschließt zu sterben – es ist ihr eigener freier Wille. Patrick begleitet die drei Frauen in Basel. Gemeinsam mit seinem Kollegen Steven Heyse, der ihn mit dem Ton unterstützt, sind sie in dem cleanen weißen Raum, in dem ein großes Bett steht, sowie ein paar Stühle für die Angehörigen. Hier wird Laura sanft einschlafen. Ein außergewöhnlicher Umstand für alle Beteiligten – eine lange Reise für Laura und ihre Liebsten, die sie von Australien hier nach Basel geführt haben.
Patrick gibt uns rückblickend sehr persönliche Einblicke in die Situation vor Ort und schildert uns auch noch weitere sensible Drehmomente seiner dokumentarischen Projekte, die ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen verlangen. Sein Fazit – letztlich ist der innere Kompass entscheidend: Was wird gefilmt? Wie lange? Wird zu einem bestimmten Moment die Kamera wegschwenken und nur der Ton läuft weiter? Oder schaltet man die Kamera ganz aus? Mit diesen Fragen ist man im Moment des Dreh’s auf sich allein gestellt, doch sollte jeder auf sein Gefühl vertrauen, was sich gut und angemessen anfühlt und was nicht.
Unser Gast
Patrick Wally | Kameramann
Patrick studierte Kamera an der Filmakademie Wien. Mit Kurzfilmen wie „Milch & Honig“, „Der Absprung“ oder seinem Dokumentarfilm „The sea you have to love“ lief er auf dem Max Ophüls Festival. Der Dokumentarfilm „Laura’s Choice“ läuft demnächst auf einem internationalen Streamer.
Hompage – LINK
Piece of Cake Films – Filmproduktion – LINK
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