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#191 | Zwischen den Zeilen – Schauspielführung beginnt nicht erst am Set!

15. Oktober 2025

„Thanks for coming in“ – ein Satz, der für viele Schauspieler*innen mit Druck, Unsicherheit und im schlimmsten Fall mit Ablehnung verbunden ist. Das klassische Casting gilt oft als notwendiges, aber belastendes Ritual der Filmproduktion: schnell, technisch, unter Zeitdruck. Besonders in der Filmbranche gilt der Grundsatz: Zeit ist Geld. Die Folge ist häufig ein Mangel an Raum für echtes Kennenlernen, künstlerisches Forschen und gemeinsames Vertrauen.

In dieser Folge geht es um die Kunst der Schauspielführung. Gemeinsam mit Regisseur Björn Schürmann und Schauspielerin Larissa Kiers sprechen wir über ihre Zusammenarbeit beim Film „Balance“. Wir beleuchten, was gute Schauspielführung ausmacht, welche Rolle der Castingprozess für eine wirklich kollaborative Arbeit zwischen Regie und Schauspiel spielt und wie Vertrauen und Kommunikation eine tragfähige kreative Beziehung ermöglichen können.

Casting als kreativer Prozess

Beim Casting zu Balance handelte es sich nicht um ein klassisches Vorsprechen, sondern um den Beginn einer gemeinsamen künstlerischen Arbeit. Nach einer gezielten Vorauswahl wurden nur wenige Schauspielende eingeladen, um gemeinsam mit Regie, Kamera und Regieassistenz Figuren, Dynamiken und Szenen zu erkunden. Statt Prüfung und Performance stand dabei das Miteinander im Mittelpunkt. So entstand bereits sehr früh ein Raum, in dem Nähe, Vertrauen und Neugier wachsen konnten – Qualitäten, die später am Set von unschätzbarem Wert waren. Ein gutes Gleichgewicht zwischen Vorbereitung und Offenheit ist dabei ganz entscheidend. Vor Drehbeginn wurden insbesondere jene Schlüsselszenen geprobt, in denen sich die zentralen Ambivalenzen der Figuren entfalten – Momente, die das emotionale Fundament des Films bilden. Larissa beschreibt ihre Figurenarbeit als Prozess zwischen gemeinsamer Erarbeitung und persönlicher Reflexion. Durch die Biografie und Tagebucheinträge aus der Perspektive der Figur nähert sie sich emotional und gedanklich ihrem Charakter an. Diese intensive Auseinandersetzung schafft Zwischenräume, die während des Drehs genutzt werden können und Authentizität erzeugen.

Vertrauen als Grundlage

Für Björn und Larissa ist Vertrauen keine Nebensache, sondern die Voraussetzung für kreative Freiheit. Eine offene Kommunikation, Raum für Fragen und gegenseitiger Respekt ermöglichen es, dass Regie und Schauspiel auf Augenhöhe agieren können. Schließlich verbindet Björns Ansatz analytische Vorbereitung mit intuitiver Offenheit. Szenen und Figuren werden genau gelesen, aber es bleibt immer Platz für das, was im Zusammenspiel entsteht. Schauspieler*innen bringen ihre eigene Erfahrungswelt mit, und genau darin liegt für ihn die künstlerische Energie.

Haltung und Prioritätensetzung 

In einer Zeit, in der die Filmbranche stark unter finanziellem und zeitlichem Druck steht, mag ein solcher Ansatz idealistisch erscheinen. Tatsächlich zeigt er jedoch, dass künstlerische Tiefe weniger eine Frage des Budgets als vielmehr eine Frage der Haltung und Prioritätensetzung ist. Balance steht exemplarisch für eine Form des Filmemachens, die sich Zeit nimmt, um Tiefe zulässt. Der Film verdeutlicht, dass gute Schauspielführung lange vor dem Dreh beginnt – im gemeinsamen Erkunden, im Zuhören und im Vertrauen in den Prozess.

Eine gute Balance in der Schauspielarbeit

Die kollaborative Arbeit zwischen Regie und Schauspiel ist eine Kunst, die stetig weiterentwickelt werden kann – im Dialog, im Experimentieren und im gemeinsamen Forschen. Wer sich darin vertiefen oder neue Impulse gewinnen möchte, findet in Workshops und Laboren wertvolle Gelegenheiten zum Austausch und zur praktischen Erprobung.

So bietet Björn Schürmann regelmäßig Workshops zum Thema Schauspielführung an, unter anderem an der Berliner VHS (ISFF) – LINK

Ein weiteres Format ist das 3-tägige Kompaktlabor zur Zusammenarbeit von Regie und Schauspiel, das in Kooperation vom Regie- und Schauspielverband organisiert wird und vom 16.–18. Januar 2026 in Berlin stattfinden soll.

Weitere Informationen

Der Film Balance wird beim Hofer Filmfestival gezeigt – mit folgenden Screening-Terminen:

22.10. – 19:00 Uhr (Central 6 – Premiere)

23.10. – 12:15 Uhr (Central 2)

24.10. – 9:45 Uhr (Central 5)

Gäste

Björn Schürmann | Regisseur – LINK

Björn Schürmann ist Regisseur und Autor. Neben seiner Arbeit als Regisseur und Drehbuchautor gibt er Kurse und Workshops zu Camera-Acting, Schauspiel und Schauspielführung und bietet Coaching für Regisseur*innen an. Dabei legt er den Fokus auf die Kommunikation zwischen Regie und Schauspiel sowie zwischen Regie und anderen Departments, den Abbau von Ängsten und die Entdeckung individueller Potenziale. Zuletzt begleitete Björn unter anderem Studierende der DFFB und der filmArche, den Kinofilm Missing Link sowie eine Regiearbeit im Theater im Palais.

Larissa Kiers | Schauspielerin – LINK

Larissa Kiers ist Schauspielerin und bekannt für ihre Rollen in „Die Toten von Salzburg“ (2016) und „Zett“ (2018). 2008 zog sie nach Österreich in die Steiermark, später nach Wien und schließlich 2019 nach Zürich, wo sie an der Zürcher Hochschule der Künste ihren Bachelor in Schauspiel absolvierte. Aktuell ist sie in dem Film „Balance“ auf den Internationalen Hofer Filmtagen zu sehen.

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