Wie gelingt eine produktive und respektvolle Zusammenarbeit zwischen Regie und Schauspiel? Welche Werkzeuge und Techniken helfen, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln – sowohl in der Vorbereitungszeit als auch direkt am Set? In der aktuellen Podcastfolge widmen wir uns diesen Fragen im Gespräch mit Schauspielerin Marie-Lou Sellem und Regisseur sowie Drehbuchautor Athanasios Karanikolas.
Diese Folge ist eine Kooperationsfolge mit der dffb Berlin.

Schauspielführung als Beziehung
Marie-Lou Sellem und Athanasios Karanikolas haben die Erfahrungen aus ihrer jahrelangen Arbeit im Film gebündelt und daraus ein Seminar entwickelt, das sie in einer Kooperation zwischen der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und der DFFB an Studierende weitergeben. Der Titel des Seminars lautet Toolbox – und ist auch Programm. Ziel ist es, gemeinsam mit den Studierenden einen Werkzeugkasten zu erarbeiten, der sowohl Regieführenden als auch Schauspielenden ermöglicht, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren.
Dabei geht es nicht um starre Regeln oder universell gültige Methoden, sondern um konkrete Tools, die individuell und situativ eingesetzt werden können – je nach Kontext, Stoff oder Produktionsform. Im Mittelpunkt steht die Idee, dass künstlerische Zusammenarbeit immer Beziehungsarbeit ist. Nur wenn Vertrauen entsteht und ein Dialog auf Augenhöhe möglich wird, können Szenen organisch wachsen und sich authentisch entfalten.
Voraussetzung für diese Art der Kommunikation ist ein gegenseitiges Verständnis für die eigenen Arbeitsprozesse sowie Kenntnis über die Prozesse des Gegenübers. „Ein Schauspieler muss nicht sein ganzes Pulver in einer Totalen verschießen“, sagt Marie-Lou Sellem im Gespräch – eine Aussage, die deutlich macht, wie wichtig es ist, technische Anforderungen und emotionale Prozesse in Einklang zu bringen. Gleichzeitig sei es wichtig, sich auch den Raum zu nehmen, der benötigt wird, um in den richtigen emotionalen Zustand zu gelangen.
Ein Bewusstsein für den erzählerischen Kontext einer Szene ist essenziell – besonders im Hinblick auf das Genre. Der gezielte Umgang mit Genre-Konventionen kann helfen, Rollen präziser zu interpretieren und ein gemeinsames Verständnis für Tonalität, Rhythmus und Ausdrucksformen zu schaffen. Zugleich sei es ebenso wichtig, immer wieder zu hinterfragen, was eine Geschichte tatsächlich erzählen möchte, um das Ziel stets vor Augen zu haben.
Genrefilme bieten auf den ersten Blick Orientierung: Sie arbeiten mit etablierten „Tropes“ und stilistischen Mitteln, die eine gewisse Sicherheit im kreativen Prozess ermöglichen. Möglicherweise wird das Genre gerade in einer Zeit, in der gesellschaftliche Sicherheiten ins Wanken geraten und viele komplexe Themen erzählt werden wollen, wieder das Mittel der Wahl. Es bildet eventuell die Sehnsucht nach Struktur und Halt ab. Genau darin aber liegt auch eine produktive Spannung – nämlich auszuloten, wie sich innerhalb dieser scheinbar festen Rahmenbedingungen neue, überraschende Spielräume eröffnen lassen.

DFFB – Deutsche Film und Fernsehakademie Berlin
Die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) ist seit 1966 die Filmschule des Landes Berlin. Sie fokussiert sich in der Ausbildung auf die grundlegenden Bereiche des Filmemachens: Drehbuch, Bildgestaltung, Regie, Produktion sowie Montage Bild & Ton. Mehr Informationen zu unserem Partner dieser Kooperationsfolge findet ihr auf der Webseite der dffb – LINK
Gäste
Marie-Lou Sellem | Schauspielerin
Marie-Lou Sellem ist eine deutsch-französische Schauspielerin mit Wohnsitz in Berlin. Nach ihrer Ausbildung an der Folkwang Hochschule spielte sie an zahlreichen renommierten Bühnen im deutschsprachigen Raum.
Seit 1989 stand sie für diverse Kino- und TV-Produktionen vor der Kamera und arbeitete u.a. mit Christoph Schlingensief, Tom Tykwer, Angela Schanelec, Caroline Link und Todd Field (TÁR, 2021).
Für ihre Rolle in Knochen und Namen (Regie: Fabian Stumm) wurde sie 2023 mit dem Deutschen Schauspielpreis ausgezeichnet und 2024 für den Deutschen Filmpreis nominiert. Die Schule der Frauen ist ihr Regie-Debüt. Darüber hinaus ist sie als Fotografin und Heilpraktikerin für Psychotherapie tätig.
Athanasios Karanikolas | Regisseur und Drehbuchautor
Athanasios Karanikolas ist Regisseur und Drehbuchautor und stammt aus Thessaloniki, Griechenland. Zu seinen bekanntesten Werken zählen At Home (2014), Savior (2003) und Elli Makra – 42277 Wuppertal (2007).