Farbdramaturgien im Film und ihre Wirkung
– Teil 1
Farbliche Inszenierungen können eine große Rolle für die Stimmungserzeugung eines Films spielen und das Publikum emotional in eine Richtung lenken. Die Farbdramaturgie wirkt auf unbewusster Ebene, noch bevor wir als Zuseher:innen Plotinformationen rational verarbeiten. Nicht nur einzelne Ausstattungsmerkmale oder Farbfilter spielen dabei eine Rolle, sondern gerade die Kombination aus der Gesamtheit an Elementen: Durch die Auswahl der Locations, der Ausstattung, Kostüme, Lichtgestaltung und Postproduktion entstehen unterschiedliche Atmosphären – z.B. durch warme oder kühle Farben oder die Verwendung eines Farbstichs in einer (symbolhaften) Leitfarbe.
Das Wissen um die Effekte einzelner Farbtöne sowie die Möglichkeiten mit Kombinationen zu spielen, kann bei der Gestaltung eines Moodboards, bei der Erstellung des eigenen visuellen Konzepts helfen: Soll etwa v.a. Spannung erzeugt werden (dunkle Farben, viele Kontraste) oder eher eine träumerische Atmosphäre (wenig gesättigte Farben, helle Töne) ?
Farbpaletten zeigen an, welche Töne die Bilder eines Films prägen, ob harmonische oder schrille Zusammensetzungen dominieren: Gibt es viele Kontraste zwischen den Farben oder Grautönen eines Films? Wirken sie in Kombination harmonisch-ruhig (monochrom bzw. analog) oder variantenreich und spannungsgeladen (komplementär bzw. triadisch)? Oder werden sie vorwiegend dafür eingesetzt, gezielt die Hervorhebung einzelner Motive, Gegenstände oder Personen zu bewirken?
Farbcodes und persönliche Handschriften
Je nach Kultur – und individueller Wahrnehmung – werden Farben verschiedene Bedeutungen zugeschrieben, die davon beeinflusste Assoziationen und Gefühle auslösen, z.B. wird Rot im euro-amerikanischen Raum häufig als Symbol für Leidenschaft eingesetzt, für Wärme und in größerer Intensität mit Aggression und Wut verbunden. Blau wirkt eher beruhigend, Weiß steht für Unschuld etc. Diese sind uns, vertraute und wiederholt eingesetzte Symboliken, die als kulturelle Codes nicht zuletzt auch Gender Bias kommunizieren. Shane Hurlbut etwa bringt die Bedeutung von Farben in Verbindung mit archetypischen Figuren und beruft sich somit auch auf wiederkehrende Symbole, Mythen und Figuren. Auch setzten sich innerhalb einzelner Genres meist bestimmte Farbdramaturgien durch, die mit der grundlegenden Stimmung zusammenpassen: Z.B. eine dunkle Farbskala im Thriller, stärker gesättigte und bunte Töne in der Komödie. Die persönliche Handschrift mancher Filmemacher:innen lässt sich u.a. durch deren Farbdramaturgie beschreiben: so hat etwa Wes Andersons visuelles (Farb-)Konzept großen Wiedererkennungswert.
Farbkalibrierung und Lichteinsatz
Wie können wir Farben nun steuern? Physikalisch betrachtet funktionieren Farben als vom Auge wahrgenommenes Licht. Farbton, Kontrast und Belichtungsspielraum erzeugen in ihrem Zusammenspiel unterschiedliche Effekte und Wirkungen. Das Licht ist also wesentlich – sowohl bei der Aufnahme als auch für die Nachbearbeitung. Neben den Farben innerhalb des Setdesigns, der Kostüme, der Lichtsetzung, Kamera etc. entscheidet im weiteren Prozess das Colorgrading – sei es analog oder digital – über das farbliche Spektrum; Helligkeiten und Kontraste können einander angepasst oder ausdifferenziert, Änderungen vorgenommen werden.
Lange bevor die digitale Filmtechnik zu dominieren begann, setzten sich mit der Etablierung des Farbfilms in den 1950er Jahren Standardeinstellungen für die Farbentwicklung und „neutrale“ Kalibrierung des Materials durch. Diese orientierten sich, ausgehend von Kodaks „Shirley Card„, zwischen den 1940ern und 1990ern vorwiegend an hellen Hauttönen und waren darauf ausgerichtet, ausschließlich die Gesichtszüge weißer Personen optimal hervortreten zu lassen. Erst in den 1990ern ersetzte Kodak sie durch die „multiracial Shirley Card“. Digitale Techniken ließen solche Standards bald obsolet werden, Kalibrierungen können individuell erfolgen. Das bedeutet allerdings nicht , dass nicht auch heute noch Standardeinstellungen von Bearbeitungsprogrammen überprüft und hinterfragt werden sollten. Dieser ausschließende Zugang macht deutlich, welchen Einfluss Farbe haben kann und, dass Diskriminierung bereits im System selbst beginnt. Farbe wird nicht einfach von der Realität auf das Bild übertragen, die Sichtbarkeit von Totalitäten und Konturen hängt wesentlich von Lichtsetzung und vom Material bzw. der Bearbeitung ab.
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