Künstliche Intelligenz in der Filmbranche – Autor- und Schauspieler*innen bald nur noch KI?
Spätestens seit dem Durchbruch von Chat-GPT sprechen alle über künstliche Intelligenz. Doch KI ist keineswegs neu und hat bereits in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht und die Arbeitsrealität in vielen Branchen verändert – auch in der Filmindustrie.
Um euch einen Überblick zu verschaffen, schauen wir uns an, welche KIs bereits in den unterschiedlichen Bereichen des Filmemachens existieren, auf uns zukommen und welche Auswirkungen das auf die Filmbranche hat.
Videobearbeitung und Postproduktion
KI-basierte Videobearbeitung verändert die Postproduktion bereits enorm: Schon 2016 erstellte „Watson“, die künstliche Intelligenz von IBM, den Trailer zum Film „Morgan”. Auf Grundlage der Analyse von 100 Horrorfilmtrailern hinsichtlich ihrer Szenerie, des Audioprofils und der Szenenzusammensetzung filterte Watson passende Sequenzen für den Trailer heraus, die wiederum von einem (menschlichen) Team zusammengeschnitten wurden[1].
So entstand innerhalb von 24 Stunden ein Filmtrailer, an dem ein Team normalerweise 10 bis 30 Tage gearbeitet hätte, so John R. Smith (Fellow und Manager bei IBM)[2]. Das spart offensichtlich Zeit und Geld. Kein Wunder also, dass Angestellte in der Filmindustrie um ihren Job bangen und streiken.
Was das Beispiel eigentlich verdeutlicht ist, dass KIs in der Lage sind Filmmaterial präzise zu analysieren. Sei es hinsichtlich Farbe, Stimmung, Dynamik, Personen, Ton, Bildkomposition etc. – you name it.
So können Tools, wie die Sensei AI-Plattform von Adobe automatisierte Farbanpassungen vornehmen oder Audio-Auto-Ducking durchführen. Ebenso beeindruckend ist ein Softwarepaket, das ein Forscher*innenteam am Max-Planck-Institut in Saarbrücken entwickelt hat. Die KI passt die Mimik und insbesondere die Lippenbewegungen von Schauspieler*innen an Übersetzungen an und verändert damit die Postproduktion im Synchronisationsbereich[3]. Ganz ähnlich arbeitet die Flawless KI TrueSync. Hier könnt ihr euch ansehen, wie TrueSync in der Postproduktion des Films „Fall“ von Scott Mann eingesetzt wird.
Drehbuchschreiben
Auch in den frühen Phasen des Filmemachens – Stichwort Drehbuchschreiben – finden KI-Tools Anwendung.
Prinzipiell können textgenerierende KIs schon gesamte Skripte schreiben, die menschliche Kreativität ersetzen sie bisweilen jedoch nicht. Das stellte auch Charlie Brooker fest, der eine Folge der Serie „Black Mirror“ von Chat-GPT schreiben lassen wollte, wie er im Magazin „Empire“ erzählt:
“I’ve toyed around with ChatGPT a bit. The first thing I did was type ‚generate Black Mirrorepisode‘ and it comes up with something that, at first glance, reads plausibly, but on second glance, is shit. Because all it’s done is look up all the synopses of Black Mirror episodes, and sort of mush them together. Then if you dig a bit more deeply you go, ‚Oh, there’s not actually any real original thought here.‘ It’s [1970s impressionist] Mike Yarwood — there’s a topical reference.” (Charlie Brooker im Empire-Magazin)
Vielleicht bieten sich textgenerierende Programme doch eher als Werkzeug an, das von echten Autor*innen verwendet wird, um ihre Skripte zu verbessern oder Ideen zu entwickeln. Die Technik existiert jedenfalls: Neben Chat-GPT bietet auch die Google-Firma DeepMind ein KI-Tool mit dem Namen „Dramatron“ an, das ein interaktives Co-Autoren-Werkzeug ist, um Skripte zu verfassen.
VFX- und bildgenerierende Tools
Auch vor der Kamera kann sich durch KI einiges ändern. Software, die Text zu Bild transformiert, ermöglicht Autor*innen mit präzisen Prompts Szenen zu erstellen, die sie lediglich mit Worten beschrieben haben. Wie das aussehen kann, lässt sich in Jon Fingers Kurzfilm „D.A.N.“ betrachten. Wie er in einem Interview mit NBC News erzählt, entstand sowohl die Idee für den Film als auch das gesamte Bildmaterial durch die bildgenerierende KI „Gen-2“.
Was aktuell optisch noch stark an ein Videospiel erinnert, wird in einigen Jahren bestimmt schon realistischer aussehen. Die Sorge von Schauspieler*innen, dass gewisse Felder ihrer Tätigkeit von künstlicher Intelligenz übernommen werden könnten ist daher durchaus nachvollziehbar.
Im aktuellen Streik in Hollywood geht es nämlich nicht zuletzt auch um die Frage, wie die Bezahlung ausfallen kann, wenn Gesichte oder Stimme von Schauspieler*innen durch KI gescannt und in Produktionen verwendet wird.
Chancen und Risiken der neuen Technologie
Grundsätzlich eröffnet künstliche Intelligenz Filmemacher*innen neue Möglichkeiten, um ihre Ideen umzusetzen. Durch Automatisierung und die damit verbundene Effizienzsteigerung wird die Welt aufwändigerer Produktionen auch für Teams und Einzelpersonen mit kleineren Budgets zugänglich, was letztlich den Zugang zum filmisch-künstlerischen Ausdruck niedrigschwelliger macht.
Dennoch gibt es hinsichtlich des ethischen Umgangs mit künstlicher Intelligenz im Film offene Fragen, die zum Beispiel den Datenschutz, die Kopie des Erscheinungsbilds oder einzelner persönlicher Merkmale, wie Stimme und Mimik betreffen.
Doch auch die Frage, inwieweit KI-Tools in den Prozess des Filmemachens einbezogen werden, steht im Raum. Bleibt die Software Werkzeug oder ersetzt sie?
So wie in anderen Berufen auch, wird es für Filmschaffende wichtig sein, sich vom Neuen nicht bloß abzuwenden, sondern vielmehr vorausschauend potenzielle Einsatzfelder von KI zu erkennen, zu verstehen und die Anwendung zu beherrschen. Denn wo Tätigkeiten verloren gehen, eröffnen sich neue Felder. Vielleicht ist einer von uns ja schon bald hochdotierter Prompt-Ingenieur für Bildgenerierende-KIs.
Quellenangaben
[1] Quelle: https://admin02.prod.blogs.cis.ibm.net/blogs/think/2016/08/cognitive-movie-trailer/
[2] Quelle: https://admin02.prod.blogs.cis.ibm.net/blogs/think/author/fakejohnrsmit/
[3] Quelle: https://www.mpg.de/12211428/synchronisation-gesichtsausdruck-video