Auch in diesem Jahr waren wir offizieller Medienpartner der TeleVisionale, die zum ersten Mal, nach über drei Jahrzehnten Baden Baden, in Weimar stattgefunden hat. Neben zahlreichen Netzwerk Events haben wir spannende Aufnahmen für den Podcast und unsere Social-Media-Kanäle gesammelt. Auch in diesem Jahr hat Yugen das etablierte Blackbox-Format, moderiert, in dem Branchenthemen offen, kritisch und nahbar diskutiert wurden.

Die heutige Podcast Folge ist direkt vor Ort entstanden: Im Gespräch mit zwei Mitgliedern der diesjährigen Filmjury. Mit Jerry Kwarteng (Schauspieler) und Elsa Van Damke (Regisseurin), sprechen wir über ihre Eindrücke, Überlegungen und Herausforderungen rund um die Juryarbeit und den Deutschen Film- und Serien Markt.
Juryarbeit: Anspruchsvoll, politisch, unverzichtbar
Die Arbeit in einer Filmjury ist intensiv und verlangt eine hohe Bereitschaft für Austausch und Diskussion. Im engen Jurykreis wird zunächst ausführlich über das Gesehene gesprochen, danach werden die Gespräche auf einem öffentlichen Podium fortgeführt. Und im Anschluss daran werden oft im direkten Austausch auch Gespräche mit Filmschaffenden und Publikum geführt.
Gerade heute sind solche Räume wichtiger denn je: Orte, an denen wir lernen, konstruktive Kritik zu geben, Kritik anzunehmen, selbst reflektiert auf das eigene Schaffen zu blicken und respektvoll miteinander zu bleiben – auch bei kontroversen Themen und starken Meinungsverschiedenheiten. Trotz der politisch und gesellschaftlich herausfordernden Zeiten nimmt man auf der TeleVisionale eine gute Portion Optimismus und Diskussionsbereitschaft wahr. Es ist ein Filmfestival, dass im Sinne der Kunst einen öffentlichen Raum schafft in dem ein ehrlicher Austausch stattfinden kann, der für eine Demokratie so essentiell ist.

Eine der zentralen Fragen, mit denen sich die Filmjury in diesem Jahr intensiv beschäftigt hat, betrifft die politische Rolle des Films. Muss ein Film politisch sein? Welche gesellschaftlichen Parameter fließen in diese Frage ein? Unsere Gäste sind sich einig: Die Zeit apolitischer oder „neutraler“ Haltungen ist vorbei. Heute braucht es klare Positionierungen – für die Demokratie, für Menschenrechte, für Werte, die erneut massiv unter Druck geraten.
Gleichzeitig soll Fernsehen jedoch nicht zu einer Art Schulunterricht vom Sofa aus verkommen. Es geht vielmehr darum, Geschichten so zu erzählen, dass sie über ihr Storytelling eine Haltung vermitteln, zum Nachdenken anregen und gesellschaftliche Auseinandersetzung ermöglichen – ohne didaktisch zu wirken.
Übersehen, nicht gehört, nicht zugelassen? – Wer darf erzählen?
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs dreht sich um Zugang und Erzählhoheit in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft. Elsa und Jerry machen deutlich, dass nach wie vor viele Menschen nicht das Privileg haben, ihre Geschichten so selbstverständlich erzählen zu dürfen wie andere. Entweder fehlt ihnen der Zugang – oder ihnen wird signalisiert, ihre Geschichte sei „schon erzählt worden“. Ein Argument, das vor allem marginalisierte Stimmen trifft.
Als Beispiel nennen sie die Serie „Schwarze Früchte“, die in diesem Jahr den Preis für die Beste Serie auf der TeleVisionale gewonnen hat. Da sie queere Perspektiven innerhalb der Black Community in Deutschland erzählt, besteht die reale Gefahr, dass andere Filmschaffende mit ähnlichen Themen künftig mit dem Hinweis abgewiesen werden, „dass es so etwas bereits gegeben habe“.
Die kritische Frage, die sich daraus ergibt: Warum wird dieses Argument nicht angeführt, wenn es um Krimi Serien und -filme geht – ein Genre, das trotz seiner unzähligen Wiederholungen kaum Diversität zeigt, insbesondere in den Hauptrollen?
Wird diese Kritik geäußert, zeigt sich häufig ein Unbehagen gegenüber der Vorstellung, dass Queerness und Diversität stärker in den Fokus rücken könnten. Nicht selten wird dann „Qualität“ als Gegenargument angeführt – als würde mehr Diversität automatisch einen Qualitätsverlust bedeuten. Dabei geht es Vertreter*innen von Diversitätsförderung keineswegs darum, ausschließlich Geschichten marginalisierter Gruppen zu erzählen. Vielmehr wünschen sie sich, Diversität auch in etablierten Formaten – etwa im Krimi – selbstverständlich und nicht nur in Nebenrollen zu sehen.
Zudem gibt es längst zahlreiche Beispiele erfolgreicher Serien, die zeigen, dass vielfältige Perspektiven weder Nische noch Risiko bedeuten. Genannt wird hier etwa die britische Serie Sex Education, die international ein Millionenpublikum erreicht hat.
Schließlich spiegelt Film immer auch gesellschaftliche Realität – und prägt sie zugleich. Das Ziel ist, dass marginalisierte Gruppen langfristig nicht mehr am Rand stehen, sondern selbstverständlich Teil der Mitte der Gesellschaft werden. Und auch wenn dieser Prozess langsam voranschreitet, ist er in Gang. Räume wie die TeleVisionale sind genau die Orte, die wir dafür brauchen – mehr denn je.
Unser Gast
Elsa van Damke | Regisseurin – LINK
Elsa van Damke (geb. 1994 in Berlin) ist eine deutsche Regisseurin und Autorin. Ihren beruflichen Weg begann sie 2013 mit einem Journalismusstudium, in dem sie früh den Schwerpunkt Film entdeckte. Nach dem dritten Semester wechselte sie an die Beuth Hochschule für Technik Berlin, um Filmregie zu studieren. Währenddessen absolvierte sie ihr Regiepraktikum bei Studio Babelsberg. 2022 schloss Elsa ihren Master in Regie an der Hamburg Media School ab. Ihre künstlerische Arbeit ist geprägt von Comedy, Feminismus, Intersectionality sowie dem spielerischen Brechen gesellschaftlicher Tabus. Im Jahr 2024 erscheint ihre Debütserie „Angemessen Angry“ auf RTL+, eine Superheldinnen-Comedy über eine junge Frau, die nach einer Vergewaltigung auf Männerjagd geht.
Jerry Kwarteng | Schauspieler – LINK
Jerry Kwarteng ist ein deutscher Schauspieler aus Hamburg, der seinen Einstieg über das Jugendtheater fand. Erste Erfahrungen sammelte er als Kleindarsteller in diversen TV-Produktionen. Mit 27 Jahren zog er nach Barcelona, bevor er 2009 nach Berlin zurückkehrte. Seit 2011 wirkt er kontinuierlich in Kino- und Fernsehformaten mit, darunter internationale Produktionen wie „The Correspondence“ (mit Olga Kurylenko und Jeremy Irons) und „The Clouds of Sils Maria“ (mit Kristen Stewart und Juliette Binoche) sowie deutsche Serien wie Tatort (Köln), Letzte Spur Berlin und Rote Rosen.
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