Die Film- und Kulturbranche steht vor einem Wandel: Initiativen wie Green Filmmaking, der verstärkte Fokus auf Diversität in der Besetzung vor und hinter der Kamera sowie die Forderungen nach einem zeitgemäßen Filmförderungsgesetz bringen frischen Wind und rufen nach systemischer Veränderung. Der Wunsch nach Verbesserungen und einem respektvollen Miteinander auf allen Ebenen wird immer lauter. Doch wie schaffen wir es, faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen flächendeckend zu etablieren? Christine von Fragstein und Christine Tröstrum von der Initiative Fair Play setzen sich genau dafür ein.
Fair Play unterstützt die Branche dabei, Verantwortungsbewusstsein zu stärken und soziale Nachhaltigkeit ins Zentrum zu rücken. Mit einem klaren Fokus auf persönliche Selbstführung und verantwortungsvolle Teamleitung schafft die Initiative durch praxisnahe Methoden und Tools Raum für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. So trägt sie aktiv zur Entwicklung einer respektvollen, professionellen Kultur bei.
New Leadership Kultur: Dialogische Führung in Film und Kultur
Doch wie gelingt es, eine neue Führungskultur in der Filmbranche zu verankern? Welche Voraussetzungen braucht es dafür? Für Christine von Fragstein ist klar: „Veränderung muss von zwei Seiten stattfinden: oben und unten!“ Das bedeutet, dass jede*r Einzelne im Team wichtige Impulse setzen kann. Gleichzeitig braucht es Führungskräfte, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und aktiv Veränderungen anstoßen. Denn gute Kommunikation und Zusammenarbeit benötigen – gekonnt eingesetzt – weder viel Zeit noch große Budgets. Bereits einfache Maßnahmen wie tägliche Check-Ins und Check-Outs können viel bewirken: Was braucht das Team? Wo steht es? Was funktioniert gut und wo braucht es noch Unterstützung?
Christine von Tröstrum und Christine von Fragstein setzen auf den Begriff der Dialogischen Führung. Im Gegensatz zu traditionellen hierarchischen Führungsmodellen, bei denen Entscheidungen oft von oben nach unten kommuniziert werden, zielt die dialogische Führung darauf ab, ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Verantwortung zu fördern. Hierfür braucht es ganz klare Kommunikationsstrukturen und Werstätzung.
Kommunikation & Wertschätzung: Wie wollen wir miteinander arbeiten?
Letztlich hängt eine gute Führung mit guter und vor allem transparenter Kommunikation zusammen, denn ein wertschätzendes Arbeitsumfeld basiert auf klaren Regeln und offener Kommunikation. Es geht darum, nicht über-, sondern miteinander zu sprechen. Rituale wie regelmäßige Teammeetings fördern nicht nur die Arbeitsatmosphäre, sondern auch die Verlässlichkeit. Sofern sie sinnhaft und effektiv sind. Um dies zu gewährleisten, sollten Verantwortlichkeiten klar verteilt und Ergebnisse transparent dokumentiert werden. Zudem ist es wichtig, eine klare Struktur und deren Sinnhaftigkeit für die genutzten Kommunikationskanäle zu schaffen – sei es WhatsApp, E-Mail oder Zoom – und festzulegen, welche Themen über welche Kanäle besprochen werden.
Ein wertschätzendes Arbeitsumfeld beginnt mit klarer, transparenter Kommunikation – doch wie sieht das in der Praxis aus? Es reicht nicht aus, nur klare Regeln aufzustellen, sondern es muss auch Raum für den Austausch auf Augenhöhe geschaffen werden. Gemeinsame Rituale und Strukturen sorgen für Verlässlichkeit und fördern das Miteinander, doch wie können wir auch in herausfordernden Momenten gut und wertschätzend miteinander kommunizieren?
Dabei spielt letztlich eine offene Feedbackkultur eine wichtige Rolle. Werden regelmäßige kurze Feedbackrunden genutzt und gelebt? Dies ist ein wichtiges Fundament, um auch Raum für die Klärung von Konflikten zu legen. So kann ein einfacher Satz wie „Hast du fünf Minuten Zeit, um nochmal darüber zu sprechen?“ Raum schaffen für gegenseitiges Verständnis. Hilfreich kann bei einem weiterführenden Gespräch die 3-W-Strategie sein: Wahrnehmung, Wirkung und Wunsch: “Ich habe wahrgenommen…“, “So hat es auf mich gewirkt…”, Rückfrage “Wie war das für dich?”, “Das wünsche ich mir von dir…”. Diese Fragetechnik eignet sich hervorragend für 1:1-Gespräche sowie für Teamrunden und trägt dazu bei, ein respektvolles Miteinander zu fördern. Wenn wir uns derart offen und reflektiert begegnen, können Missverständnisse ausgeräumt und zukünftige Konflikte vermieden werden.
Dies sind natürlich nur erste kleine Ansätze und Impulse, doch sie signalisieren ein Umdenken in der Art und Weise unserer Arbeitskultur. Denn die Filmbranche steht vor großen Herausforderungen und der Wunsch nach Veränderung ist spürbar. Initiativen wie Fair Play zeigen, dass mit praxisnahen Ansätzen und einer Kultur der Wertschätzung echte Fortschritte möglich sind. Durch klare Kommunikation, neue Formen der Führung und nachhaltige Zusammenarbeit kann ein „Fair Play“ auf allen Ebenen geschaffen werden. Dabei geht es darum, die Form der dialogischen Führung zu etablieren – weg von der hierarchischen Ansage hin zu einer Kultur des Zuhörens und gemeinsamen Lernens. Wenn wir diesen Weg beschreiten, lassen sich die Arbeitsbedingungen in der Branche nachhaltig verbessern und eine neue Kultur der Kooperation und des Miteinanders etablieren.
Unsere Gäste
Christine von Fragstein | Systemische Beraterin & Coach
Christine von Fragstein ist Facilitatorin und Expertin für Veränderungsprozesse. Mit Weitsicht, Ruhe und einem klaren Kompass begleitet sie Menschen durch Zeiten des Wandels und hilft ihnen, ihre persönlichen Potenziale sowie die ihres Teams zu entfalten. Ihre vielseitige Ausbildung umfasst Kulturmanagement, PR und Kommunikation sowie Zusatzqualifikationen in Scrum und Design Thinking. Beruflich war sie unter anderem bei der Film- und Medienstiftung NRW, als Gründungsdirektorin von Berlinale Talents und als Senior Programmer beim Zurich Film Festival tätig. Seit 2017 berät sie öffentliche und private Institutionen in den Feldern Change Management, Strategie und Teambildung. Ihre Leidenschaft gilt dem Dokumentarfilm, der Vernetzung von Menschen und dem Aufbau starker Communities.
Fair Play (Homepage) – LINK
“Zuhören Draußen” (Podcast) – LINK
Christine Tröstrum | Systemische Beraterin & Coach
Christine Tröstrum ist Entwicklungsbegleiterin, Kulturmanagerin und leidenschaftliche Community-Aktivistin. Als erfahrene Beraterin für Organisationsentwicklung und Change Management unterstützt sie Menschen und Organisationen dabei, ihren eigenen Weg zu finden und die Schätze des Wandels in sich selbst zu entdecken. Ihr Studium in Kultur- und Theaterwissenschaften sowie ihre Ausbildungen in systemischer Organisationsentwicklung und Coaching haben sie auf eine vielseitige Karriere vorbereitet. Zu ihren beruflichen Stationen zählen die Leitung von Berlinale Talents und zahlreiche Kulturprojekte wie das Europäische Filmzentrum Babelsberg. Seit 2017 arbeitet sie freiberuflich, seit 2021 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung biniasz und partner.
Fair Play (Homepage) – LINK
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