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#150 | Cinæsthesie: Natürlich barrierefrei

13. Juli 2023

Cinæsthesie: Translating Animation

Mit dem Projekt Cinæsthesie. Translating Animation startet die Regisseurin Anne Isensee (Animationsregisseurin & Animatorin) ein crossmediales Experiment. Das Kernstück des künstlerischen Forschungsprojekts bildet der Animationskurzfilm INTRO. Das Besondere hierbei ist die Integration der Audiodeskription und der erweiterten Untertitel. Hier wurde beides nicht nachträglich eingefügt, sondern ist Teil des Storytellings und wurde von Anfang an mitgedacht. 

Filmstill aus dem Animationskurzfilm INTRO von Anne Isensee © Anne Isensee

Audiodeskription: Eingeplant von Anfang an?

Mit akustischen Bildbeschreibungen, den sogenannten Audiodeskriptionen, können blinde und sehbehinderte Menschen Filme genauso genießen wie das sehende Publikum. An dem komplexen Entstehungsprozess der Audiodeskriptionen sollte unbedingt immer eine geschulte blinde Person beteiligt sein.

Barbara Fickert – Geschäftsführerin Kinoblindgänger
Barbara Fickert sitzt zusammen mit einer zweiten Person in einem Tonstudio und produziert eine Audiodeskription.
Barbara Fickert im Studio für die nächste Audiodeskription © Andi Weiland

Eine Audiodeskription oder auch kurz AD, ermöglicht für blindes oder sehbehindertes Publikum den Zugang zum  cineastischen Filmgenuss. Die audiovisuelle Materie wird in eine akustische Bildbeschreibung übersetzt. Begleitend zum Kurzfilm, bietet das Projekt Cinæsthesie. Translating Animation, ein Audioprogramm, welches Einblicke in die Produktionsprozesse eröffnet, das Team vorstellt und rund um die Themen Audiodeskription, barrierefreie Animationsfilmproduktionen und cinæsthetische Übersetzungsarbeit informiert.

Doch nicht für jeden Film gibt es automatisch eine Audiodeskription, leider. Egal, ob es sich dabei um Dokumentarfilme handelt, Arthousefilme oder Filme von großen Studios. Ob es überhaupt eine barrierefreie Fassung gibt, hängt von der Produktion selbst ab: Wollen und können sie eine Audiodeskription oder erweiterte Untertitel in Auftrag geben?

Normalerweise werden, wenn überhaupt, barrierefreie Fassungen im Nachhinein angefertigt. Bei einer Audiodeskription kann beispielsweise im Dreierteam gearbeitet werden. Hierbei schreibt eine sehende Person die Filmbeschreibung und überarbeitet diese gemeinsam mit einer blinden Person. Zuletzt gleicht eine dritte Person den Text mit dem Film ab. Klar, das kostet Geld und braucht Zeit und Expert*innen, die geschult sind, gute Audiodeskriptionen zu verfassen. Zum Glück gibt es Menschen wie Barbara Fickert (Geschäftsführerin Kinoblindgänger) und Jonas Hauer (Komponist & Filmbeschreiber), die sich beide um solche akustische Bildbeschreibungen kümmern.

Wortfindung: Passgenau formuliert!

Das richtige Wort finden, um die filmische Situation bei einer AD bestmöglich zu beschreiben? Gar nicht so einfach, sagen Jonas und Barbara. Denn so kann die Frage, ob das Kind im Film ein Weizenbrötchen isst oder gar ein Stück Hefezopf, vielleicht einen wichtigen Hinweis für den weiteren Verlauf des Films beinhalten oder obsolet sein. Oder vielleicht wird ein typischer Hint wie “Laura greift nach der Tasche, in der sie vorhin den Revolver versteckt hat” das filmische Erlebnis spoilern. Demnach ist für die richtige Wortfindung Feingefühl angesagt und ein gutes sich Abstimmen im Team. Dass die Realisierung einer AD nicht nur das richtige Budget und eine gute Planungszeit braucht, sondern auch seinen Weg zum Publikum finden muss, ist den Meisten gar nicht so klar.

Mehr Aufmerksamkeit: Ein YouTube-Button für AD’s? 

Audiodeskription muss präsenter werden und besser auffindbar. Wie wäre es mit einem Button für AD’s bei YouTube neben dem Button für Untertitel?

Jonas Hauer – Filmbeschreiber
Eine Person im Kino hält die GRETA-App in der Hand.
Barbara Fickert, die GRETA-App stets bereit in der Hand © Andi Weiland

Seit über 10 Jahren gibt es die GRETA-App, die es Menschen ermöglicht, barrierefrei Kino zu genießen. Doch im Heimkino, beim bingewatchen, egal ob im linearen Fernsehen, Streamingdiensten oder YouTube, bleibt der Genuss meist verwehrt. Es fehlt an AD’s. Es fehlt an Aufmerksamkeit und der Sensibilisierung der Gesellschaft, dass es zum einen barrierefreie Zugänge braucht und dass diese, sofern vorhanden, besser aufzufinden sein müssen. Ein YouTube-Button für AD’s neben dem Button für Untertitel wäre doch spannend. Vielleicht klicken Menschen aus Interesse darauf und erkennen “Diese Funktion ist in deinem Land leider noch nicht verfügbar. Möchtest du eine AD anfordern?”. Selbst wenn diese Option erst einmal nur vorhanden wäre, um Aufmerksamkeit zu generieren, so würde ein Großteil der Gesellschaft ganz unverhofft mit dem Thema der Barrierefreiheit in Berührung kommen! Was für eine smarte Idee Jonas! 

Wie eine Audiodeskription entsteht, diesem Thema möchten wir uns in der aktuellen Folge widmen. Wir sprechen mit Anne Isensee (Animationsregisseurin & Animatorin), Barbara Fickert (Geschäftsführerin Kinoblindgänger) und Jonas Hauer (Komponist & Filmbeschreiber) über das künstlerische Forschungsprojekt Cinæsthesie. Translating Animation und ihre Arbeit an Audiodeskriptionen.

Wir gratulieren Barbar und Jonas nachträglich zur Auszeichnung des Deutschen Hörfilmpreises 2023. Als Teil des Audiodeskriptions-Teams unterstütze Jonas die Filmproduktion IM WESTEN NICHTS NEUES. Barbara sahnte als Teammitglied in der Kategorie Filmerbe bei Béla Tarrs Schwarzweiß-Klassiker DIE WERCKMEISTERSCHEN HARMONIEN ab. Herzlichen Glückwunsch!

Unsere Gäste

Anne Isensee
Animationsregisseurin & Animatorin
Webseite – https://www.anneisensee.com/

Barbara Fickert
Geschäftsführerin Kinoblindgänger
Blog “Blindgängerin” – https://www.blindgaengerin.com/
Webseite “Kinoblindgänger” (Audiodeskription) – https://www.kinoblindgaenger.com/

Jonas Hauer
Komponist & Filmbeschreiber
Webseite – http://jonas-hauer.de/

Weiterführende Links
Cinæsthesie. Translating Animation (Webseite) – https://www.translating-animation.com/
Greta App – https://www.gretaundstarks.de/greta/greta

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