Bei Georges Méliès waren Effekte noch reine Handarbeit: In gläsernen Studios tüftelte er mit großen Teams an Tricks, die Kino zur Magie machten. Er gilt als einer der Vordenker der visuellen Effekte – ein Feld, das sich seither radikal weiterentwickelt hat. Heute begegnet uns VFX überall im Kino: nicht nur in Science-Fiction-Welten oder Superheldenfilmen, sondern auch in Dramen oder Historienstoffen. Sie sind unverzichtbar, wenn eine moderne Häuserzeile digital verschwindet, um einer vergangenen Epoche Platz zu machen. Wenn aus einer kleinen Gruppe Statisten eine riesige Menschenmenge entsteht. Oder wenn ein unscheinbarer Himmel zur bedrohlichen Gewitterfront wird. Mal sind sie spektakulär, mal nahezu unsichtbar – und gerade dann entfalten sie ihre volle Wirkung. Doch wie entstehen diese Momente? Und was braucht es, damit Regie und VFX-Abteilung wirklich Hand in Hand arbeiten?
Darüber sprechen wir in der heutigen Folge mit Kay Delventhal, Head of Department VFX, und Andreas Dahn, Regisseur und XR Director. Gemeinsam geben sie Einblicke in die komplexe Zusammenarbeit zwischen kreativer Vision und technischer Umsetzung – und warum VFX weit mehr ist als bloß spektakuläre Computerbilder.
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Unterschied zwischen SFX und VFX
Die sogenannten Special Effects (SFX) sind die klassische Vorform der heutigen digitalen Möglichkeiten. Darunter versteht man physische Effekte, die direkt am Set entstehen: echtes Feuer, Rauchschwaden, künstlicher Regen oder Explosionen. Die Visual Effects (VFX) hingegen setzen dort an, wo die Kamera an ihre Grenzen stößt. Sie entstehen nachträglich am Computer und erweitern das reale Bild. Dabei werden gefilmte Elemente digital verändert, ergänzt oder in einen neuen Kontext gesetzt. So kann ein modernes Straßenschild in einem Historienfilm verschwinden oder eine Skyline am Computer in eine längst vergangene Epoche zurückversetzt werden.
Noch einen Schritt weiter gehen die Computer Generated Images (CGI). Hier werden Objekte, Figuren oder ganze Welten vollständig am Computer erschaffen, ohne dass sie je physisch existiert hätten. Beispielsweise wird in einer Szene ein Drache erschaffen, der beim Dreh selbst gar nicht existierte – also nicht als Mensch im Kostüm, nicht als Figur am Set und auch nicht als physisches Modell. Der Drache entsteht vollständig am Computer und wird später in die real gefilmten Bilder integriert.
Alle drei Formen erzeugen eine Illusion. Entscheidend ist dabei weniger, ob der Effekt real oder künstlich hergestellt wurde, sondern dass er die Geschichte unterstützt und für das Publikum glaubwürdig wirkt.

VFX im Spannungsfeld von Budget und Story
Bereits in der Vorproduktion – also im Prozess, wenn ein Film konzipiert wird – sollte im besten Fall schon das VFX-Department mit am Tisch sitzen. So lässt sich frühzeitig klären, welche Szenen tatsächlich digitale Effekte erfordern und wo auf sie verzichtet werden kann. Dabei spielt das Budget eine entscheidende Rolle: Häufig wird zu knapp kalkuliert, sodass Anpassungen am Drehbuch oder an der Inszenierung nötig werden.
Doch der Einsatz von VFX muss nicht immer der beste Weg sein, um etwas eindrücklich zu erzählen. Viele Szenen lassen sich auch durch geschickte erzählerische Mittel oder eine clevere stilistische Entscheidung realisieren. Am Ende geht es darum, kreativ zu sein, mit der Geschichte, die man erzählen will. Häufiger glaubt man VFX zu brauchen, weil man etwas nachahmen will, was woanders schon funktioniert hat, aber das muss nicht immer das beste sein, da im kreativen Prozess noch ganz andere Lösungen gefunden werden können. Im Fokus steht immer die Frage, ob ein Visueller Effekt zuträglich für die Geschichte ist, die erzählt werden soll.
Hierfür kommt es besonders auf eine enge Zusammenarbeit mit der Regie an. Nur wenn die kreative Vision der Regisseur*innen und die technische Expertise der VFX-Supervisor*innen aufeinander abgestimmt sind, entsteht ein Film, in dem Effekte nicht Selbstzweck bleiben, sondern die Geschichte sinnvoll und glaubwürdig unterstützen. Wenn das nicht passiert, heißt es häufiger „Fix it in Post“. Unsere Gäste vertreten jedoch das Motto: „Fix it in Pre!“ und das sollte sich jeder Filmschaffende zu Herzen nehmen.
Gäste
Kay Delventhal | Head of Department VFX | LINK
Mit einem Hintergrund in Regelungstechnik arbeitet Kay Delventhal seit vielen Jahren als Visual Effects Supervisor – an der Schnittstelle von Kreativität, technischer Expertise, Budgetplanung und neuen Technologien wie KI und Machine Learning. Seine Laufbahn begann als Künstler, heute bringt er eine ganzheitliche Perspektive in jedes Projekt ein. Seit vielen Jahren arbeitet er als Visual-Effects-Supervisor an Filmen und Serien wie Cloud Atlas, Barbarians (Head of VFX), Sisi (VFX Supervisor), Ku’damm 59 und viele mehr. In seiner Arbeit verbindet er kreative und technische Perspektiven und integriert moderne Workflows in Filmproduktionen. Neben seiner praktischen Arbeit vermittelt er sein Wissen als Dozent an diversen Filmschulen wie der h_da Hochschule und der Filmakademie Baden-Württemberg.
Andreas Dahn | Regisseur und XR Director | LINK
Andreas begann seine Laufbahn im klassischen Film und in den visuellen Effekten. Er arbeitete an internationalen Projekten wie Game of Thrones, Wes Andersons Grand Budapest Hotel, Marvels Guardians of the Galaxy Vol. 2 sowie dem Oscar-nominierten BBC-Kurzfilm The Gruffalo. Internationale Aufmerksamkeit erlangte seine TV-Verfilmung von E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann. Später realisierte er innovative Projekte für die UFA, Intel Deutschland, den Europa-Park und das European Media and Immersion Lab. Er gibt internationale Workshops zu Virtual Reality, Spezialeffekten und visuellem Erzählen.
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