Cobb (Leonardo DiCaprio) nimmt seinen Kreisel in die Hand und dreht ihn sanft und schwungvoll. Der Kreisel rotiert stabil um die eigene Achse. „Look who’s here.“, ruft Stephen (Michael Cane). Cobb blickt auf. Die Kinder erblicken ihren Vater. Ohne den Kreisel abzuwarten, geht er mit Glücksgefühlen durchströmt raus zu seinen Kindern. Der Kreisel dreht sich weiter und weiter. Ein ganzer Kinosaal blickt gebannt auf die Leinwand und wartet mit gespannter Haltung auf die weitere Entwicklung: Fällt der Kreisel um und offenbart uns, ob Cobb wach ist oder träumt? Der Kreisel gerät ins Wanken. Cut to Black.
Szenen wie diese zeigen, wie raffiniert Nolan mit verschiedenen Welten, Zeiten, Codes und Twists arbeiten, bei denen wir uns am Ende nie sicher sein können, ob wir seine Welt bis in das kleinste Detail verstanden haben. Nach 90 Minuten Action, komplex durchdachten Expositionsszenen, Traumwelten und Abgründen des eigenen Unterbewusstseins können wir uns nicht sicher sein, dass Cobb sicher ist. Die simple Lösung „es war alles nur ein Traum“ gilt bei Nolan nicht. Nolan gibt unseren Sehgewohnheiten und dem guten alten Dreiakter ein narratives Update. Egal, ob auf der Ton- oder Bildspur – er ist ein Meister der ausgeklügelten Tricks, (meist) mit doppeltem Boden. Trotz der Komplexität seiner Erzählstrukturen lässt er das Publikum nicht allein und führt den Zuschauenden in die neue Nolan-Welt ein. Wie funktioniert was? Doch er geht stets ein Stück weiter und konzipiert die Welt seiner Protagonisten über die funktionierenden, altbekannten, routinierten Denk- und Erzählmuster hinaus.
Wir sprechen in der aktuellen Folge zusammen mit Lukas von Berg (Regisseur) und Christoph Dobbitsch (Medienwissenschaftler) über diese verworrenen, genialen und manchmal ungreifbaren Welten.
Christoph Dobbitsch
Medienwissenschaftler / Regisseur / Filmkritiker
Webseite – LINK
Lukas von Berg
Regisseur
Instagram – @sketchberg
Filme über die wir gesprochen haben:
- MEMENTO (2000) – R: Christopher Nolan
- PRESTIGE (2006) – R: Christopher Nolan
- INCEPTION (2010) – R: Christopher Nolan
- INTERSTELLAR (2014) – R: Christopher Nolan
- TENET (2020) – R: Christopher Nolan
- PAPRIKA (2006) – R: Satoshi Kon
- BRAZIL (1985) – R: Terry Gilliam
Weiterführende Link’s & Info’s:
- Bierhals, Reimer: Identitätskonflikt in „MEMENTO“ – LINK
- Dobbitsch, Christoph: Interstellar who? – Zur Genialität von Christopher Nolans The Prestige – LINK
- Furby, Jacqueline / Joy, Stuart (Hrsg.): The Cinema of Christopher Nolan – Imagining the Impossible (Directors’ Cuts). Wallflower Press, New York 2015.
- Nolan, Christopher: INCEPTION – The Shooting Script. 2010.
- Shone, Tom: The Nolan Variations: The Movies, Mysteries, and Marvels of Christopher Nolan. 2020.
- Schwadten, Christiane: MEMENTO – LINK
- Thompson, Kristin / Bordwell, David: Christopher Nolan: Labyrinth of Linkages. 2013.
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