Filmwissenschaft / Filmgeschichte

Podcast
45 MINUTEN
7. Juli 2022

Mit der Erfindung des Bewegtbildes begann nahezu zeitgleich auch die theoretische Auseinandersetzung mit diesem. Bereits damals beschäftigte man sich mit der Ästhetik des Films und die Auswirkungen des neuen Mediums auf den Körper und Geist des Menschen. Wie der Film hat sich auch die Wissenschaft um das Medium in den letzten 100 Jahren weiterentwickeln können und bietet spannende Auseinandersetzungen in den verschiedensten Bereichen des Films – Siehe Beitrag „Filmwissenschaft und -theorie ein kleiner Guide“ Neben dem Filmschaffen ist die Filmwissenschaft zu einem weiteren wichtigen Zweig des Films geworden. Aber was genau ist die Filmwissenschaft und wie kann die theoretische Betrachtung von audio-visuellen Medien auch die praktische Arbeit am Film beeinflussen? Gibt es einen Transfer zwischen Theorie und Praxis?

Indiefilmtalk Filmwissenschaft

Let’s talk about „Filmwissenschaft“

In unserer heutigen Folge machen wir einen Exkurs zur Filmwissenschaft. Mit unserer Gästin Dr. Anna Luise Kiss reden wir über die Wichtigkeit der filmtheoretischen Auseinandersetzung. Wir beleuchten Trends der Filmtheorie und reden über die momentane Sichtbarkeit der Filmwissenschaft. Zusätzlich schauen wir uns an, was man als filmschaffende Person von den Filmwissenschaftskolleg*innen lernen kann und wie der Transfer zwischen Filmtheorie und Praxis, durch Formate wie der Filmwissenschaftspodcast „Filmstudies Bling Bling“ von Anna verbessert werden kann.

Der Podcast Filmstudies Bling Bling

Dr. Anna Luise Kiss startete 2020 den Wissenschaftspodcast „Filmstudies Bling Bling“, bei dem sie spannenden und interessanten Themen aus der Filmwissenschaft eine Bühne gab. In den 18 Episoden gibt sie, in Gesprächen mit Kolleg*innen, Einblicke in Forschungsarbeiten, News zu wissenschaftlichen Veranstaltungen und Einblicke in ihre eigene wissenschaftliche Arbeit („Das filmische Gesicht der Städte„).

Die 18 Folgen des „Filmstudies Bling Bling“ Podcast, welche in der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF im Rahmen des Forschungsvorhabens „Das filmische Gesicht der Städte“ produziert wurde, könnt ihr ab sofort auch hier bei uns finden. Unter dem Format „Guest Pod“ findet ihr alle 18 Folgen:

Unser Gast:

Dr. Anna Luise Kiss |

Dr. Anna Luise Kiss
Rektorin Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch | Medienwissenschaftlerin – Filmuniversität Konrad Wolf

Webseite – LINK
Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLFLINK
Projektseite „Die filmische Straßenlandschaft in Potsdam“ – LINK
Link zum Buch – LINK
Das Filmische Gesicht der Stadt Potsdam – LINK 
Social Media – LINK

Weitere Links:

Film- und Medienwissenschaftliches Kolloquium – LINK
Filmwissenschaft und -theorie: Ein kleiner Guide (Teil 1) – LINK
#115 | Warum Menschen Filme verstehen – Link

Podcast
1 STUNDE
16. Dezember 2021

Warum Menschen Filme verstehen

Wahrnehmungspsychologische Grundlagen des Filmemachens

Unter Filmhistorikern gilt das Jahr 1895 als Geburtsstunde des Films, wie wir ihn heute kennen und lieben gelernt haben. Haben die Gebrüder Lumières und ihre damaligen Filmkolleg*innen einen Film in Form einer einzelnen Szene dargestellt, hat sich die Art der Filmgestaltung, des Filmschnitts in den letzten Jahrzehnten verändert und weiterentwickelt. Mit dieser Weiterentwicklung veränderte sich auch unser Sehverhalten und das Verständnis für den Aufbau eines Films.

Wahrnehmungspsychologie Filme verstehen Indiefilmtalk Podcast Yugen Yah
Die Ankunft des Zuges auf dem Bahnhof La Ciotat, R: Brüder Lumière | Mad Max, R: George Miller

Gibt es den optimalen Filmschnitt?

In unserer heutigen Folge werden wir einwenig wissenschaftlich und schauen uns mit Markus Huff, Psychologe und Professor der Universität Tübingen an, wie wir als Menschen in der Lage sind komplexe Handlungen im Film zu interpretieren. Wir reden über die Wirkung des Schnitts auf den Zuschauenden, schauen uns an wie sich das Tempo des Filmschnitts in den letzten Jahrzehnten verändert hat und gehen auf die Suche nach dem „optimalen Filmschnitt“.

Weiterführend zum Gespräch können wir euch den Beitrag von Professor Markus Huff auf der Seite „The Inquisitive Mind“ zu dem gleichnamigen Thema empfehlen. Den Link dazu findet ihr hier – LINK

Mehr zu unserem Gast:

Markus Huff
Professor Universität Tübingen und Leiter der Arbeitsgruppe Wahrnehmung und Handlung am Leibniz-Institut für Wissensmedien | Psychologe

Mehr zu Markus Huff IWM Tübingen – LINK



Ähnliche Folgen

#93 | Crossover: Brainflicks meets Indiefilmtalk

Beitrag | Filmwissenschaft und -theorie: ein kleiner Guide (1)

Guest Podcast
1:12 STUNDEN
20. Juli 2021

Filmstudies Bling Bling Episode 18

Host: Anna Luise Kiss | Podcast subject: Filmstudies | Language: Englisch/Deutsch | Lizenz: CC

//////////// Deutsch ////////////

In this episode, Dr. Ömer Alkin is the “Bling of the month.” He is post-doctoral project manager of the DFG research project “Aesthetics of Occidentalism” at the Institute for Media Studies at Philipps University Marburg. In addition to his current research project, Dr. Alkin talks about his doctorate on “Migration Cinema.” (00:04:51–00:54:37)

Dr. Ömer Alkin: https://www.uni-marburg.de/de/fb09/medienwissenschaft/institut/wissenschaftliches-personal/oemer-alkin

Ömer Alkin’s dissertation: https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/00/54/ab/ts5036_1WKYm4soxJR4K5.pdf

The News Chapter is all about the current issue of Montage AV. Guest editor Anna-Sophie Philippi talks about the thematic focus of the issue, which is “Brazil.” (00:54:37–01:07:07)

Anna-Sophie Philippi: https://www.filmuniversitaet.de/portrait/person/anna-sophie-philippi

Montage AV: https://www.montage-av.de/aktuell.html

In the Dear Diary Dr. Anna Luise Kiss and Dr. Julia Dittmann report on their work on the planned publication “From Asta Nielsen to Quentin Tarantino. The cinematic streetscape of the city of film Potsdam.” As a member of the research project “The cinematic face of cities,” Julia Dittmann took over the co-host part in this episode. (01:07:07–01:11:39)

Dr. Julia Dittmann’s dissertation: https://www.edition-assemblage.de/buecher/ent-taeuschung-des-weissen-blicks/

//////////// English ////////////

In dieser Folge ist Dr. Ömer Alkin das „Bling of the month“. Er ist Postdoc-Projektleiter des DFG-Forschungsprojekts „Ästhetik des Okzidentalismus“ am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg. Neben seinem aktuellen Forschungsprojekt gibt Dr. Alkin einen Einblick in seine Promotion zum Thema Migrationskino. (00:04:51–00:54:37)

Dr. Ömer Alkin: https://www.uni-marburg.de/de/fb09/medienwissenschaft/institut/wissenschaftliches-personal/oemer-alkin

Die Dissertation von Ömer Alkin: https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/00/54/ab/ts5036_1WKYm4soxJR4K5.pdf

Im News Chapter dreht sich alles um die aktuelle Ausgabe von Montage AV. Gastherausgeberin Anna-Sophie Philippi spricht über den thematischen Schwerpunkt der Ausgabe „Brasilien“. (00:54:37–01:07:07)

Anna-Sophie Philippi: https://www.filmuniversitaet.de/portrait/person/anna-sophie-philippi

Montage AV: https://www.montage-av.de/aktuell.html

Im Dear Diary berichten Dr. Anna Luise Kiss und Dr. Julia Dittmann von ihrer Arbeit an der geplanten Publikation „Von Asta Nielsen bis Quentin Tarantino. Die filmische Straßenlandschaft der Filmstadt Potsdam“. Als Mitarbeiterin des Forschungsprojekts „Das filmische Gesicht der Städte“ hat Julia Dittmann in dieser Folge den Part der Co-host inne. (01:07:07–01:11:39)

Die Dissertation von Dr. Julia Dittmann: https://www.edition-assemblage.de/buecher/ent-taeuschung-des-weissen-blicks/

Dr. Anna Luise Kiss im Aufnahmestudio

The filmstudies podcast „Film Studies bling-bling“

„Film Studies bling-bling“ is about hidden and well-known treasures, big and small diamonds from Film Studies.
In each episode, we have a „Bling of the month“; scholars from Film Studies who are interviewed about their research. In the news section, you hear from current research projects or book publications, or whatever struck my way strolling around in the Film Studie’s universe.

The „Film Studies bling-bling“ Podcast is a Podcast from Dr. Anna Luise Kiss which was produced in the Filmuniversity Konrad Wolf. To keep this podcast visible for you we decided to add it to the Indiefilmtalk Catalogue in consultation with the podcast-creators.

Links

Website Dr. Anna Luise Kiss – LINK

Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf – LINK

Projectsite „Die filmische Straßenlandschaft in Potsdam“ – LINK

126 | Filmwissenschaft: Mehr als nur Theorie – LINK

Filmstudies Bling Bling Episode 14

Host: Anna Luise Kiss | Podcast subject: Filmstudies | Language: Englisch/Deutsch | Lizenz: CC

//////////// English ////////////

In this episode, you can experience Dr. Carley M. Shinault and Dr. Brian C. Johnson. They give an insight in their planned book „Afterbirth of a Nation: Urban Critical Pedagogy and Ghetto-centric Film Since Boyz n the Hood.“ The call for chapters for the planned publication is currently open, so Dr. Shinault and Dr. Johnson encourage listeners to submit an abstract. Furthermore, they reflect on interdisciplinary and editorial work.(00:01:47–00:26:55) The call for chapters: https://networks.h-net.org/node/14467/discussions/4171292/call-chapters-afterbirth-nation-afterbirth-nation-urban-critical

In the News Chapter, Sebastian Stielke speaks about his recently published book „100 Facts about Babelsberg.“ Chronologically it leads through the history of the film and media location Babelsberg and offers numerous glimpses behind the scenes. (00:26:55–00:50:48) https://100factsabout-babelsberg.de

In the Dear Diary Chapter, Dr. Anna Luise Kiss talks about the reasons for the increase in personnel in the research project „The Cinematic Face of Cities.“ And she reports on what the team is working on at the moment. (00:50:48–00:55:07)

//////////// Deutsch ////////////

In dieser Folge sind Dr. Carley M. Shinault und Dr. Brian C. Johnson zu erleben. Sie geben einen Einblick in ihr geplantes Buch “Afterbirth of a Nation: Urban Critical Pedagogy and Ghetto-centric Film Since Boyz n the Hood”. Der Call for Chapters für die geplante Publikation ist aktuell noch offen, weshalb Dr. Shinault und Dr. Johnson die Zuhörer:innen ermutigen, ein Abstract einzureichen. Außerdem reflektieren sie über interdisziplinäre und editorische Arbeit. (00:01:47–00:26:55) Call for Chapters: https://networks.h-net.org/node/14467/discussions/4171292/call-chapters-afterbirth-nation-afterbirth-nation-urban-critical

Im „News Chapter“ spricht Sebastian Stielke über sein kürzlich erschienenes Buch „100 Facts about Babelsberg“. Chronologisch führt es durch die Geschichte des Film- und Medienstandortes Babelsberg und bietet zahlreiche Blicke hinter die Kulissen. (00:26:55–00:50:48) https://100factsabout-babelsberg.de

Im „Dear Diary“ berichtet Dr. Anna Luise Kiss über die Gründe für die personelle Aufstockung im Forschungsteam von „Das filmische Gesicht der Städte“. Und sie berichtet, woran das Team gerade arbeitet. (00:50:48–00:55:07)

The filmstudies podcast „Film Studies bling-bling“

„Film Studies bling-bling“ is about hidden and well-known treasures, big and small diamonds from Film Studies.
In each episode, we have a „Bling of the month“; scholars from Film Studies who are interviewed about their research. In the news section, you hear from current research projects or book publications, or whatever struck my way strolling around in the Film Studie’s universe.

The „Film Studies bling-bling“ Podcast is a Podcast from Dr. Anna Luise Kiss which was produced in the Filmuniversity Konrad Wolf. To keep this podcast visible for you we decided to add it to the Indiefilmtalk Catalogue in consultation with the podcast-creators.

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Website Dr. Anna Luise Kiss – LINK

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Projectsite „Die filmische Straßenlandschaft in Potsdam“ – LINK

126 | Filmwissenschaft: Mehr als nur Theorie – LINK

Denken wir an Dogma 95, die Manifeste des Surrealismus, das Oberhausener Manifest oder gar das kommunistische Manifest, begegnen wir radikalen Programmen. Diese Namen klingen in den Ohren. Die Personen, die dahinter stehen, brachen mit den Regeln und erschufen Neues. Doch braucht es für Umbrüche immer auch feste Programme? Gibt es solche Bewegungen in der gegenwärtigen deutschen Filmszene?

Filmmanifeste kommen und gehen. Was bleibt?

Was haben die deutschen Filmschaffenden Jakob Lass, Hanna Dose, Axel Ranisch, Isabell Šuba, Nico Sommer und Hanna Brinkmann gemeinsam? Sie kreieren, wie einige weitere Kolleg*innen auch, ihre Filme nicht auf der Basis eines festgelegten Drehbuchs, überlassen das Schicksal ihrer Indepdendent-Projekte keinen Förderanstalten und integrieren zufällige Ereignisse am Set in den fertigen Film. Das Ergebnis sind dokumentarische, authentische und doch fiktionale Mischungen aus Drama und Komödie. Axel Ranisch formulierte 2012 im Anschluss an seinen erfolgreichen Debütfilm Dicke Mädchen und zum Anlass der 50 Jahre nach dem Oberhausener Manifest, das Sehr Gute Manifest, worin es u.a. heißt: „Ein sehr guter Film hängt nicht vom Budget ab. Er entsteht in Freiheit, selbstbestimmt und unabhängig, quasi von glücklichen Filmautoren. Sehr gute Filme sind die Bio-Produkte der deutschen Filmlandschaft.“ Das klingt nach einem verlockenden Gütesiegel. Doch was steckt dahinter?

Ganz oben stand für diese Bewegung junger Berliner Filmschaffender von Beginn an die Befreiung von finanziellen Abhängigkeiten und die Lust am Experiment, das unvorhersehbare Dinge entstehen lässt. Das jährliche Achtung Berlin Festival trug ebenso für die Sichtbarkeit der losen Gruppe bei wie etwa ein Symposium des Deutschen Filmmuseums im Jahr 2014. Dort erklärte der Medienwissenschaftler Bernd Zywietz, dass der von ihm selbst mitgeprägte Begriff German Mumblecore eigentlich unglücklich gewählt sei und ruft zur Findung eines neuen Labels auf.

Denn German Mumblecore stelle deutsche Filmschaffende in den Schatten dieser ursprünglich in den USA benannten Praxis von Regisseur*innen wie Andrew Bojalski (z.B. Funny Ha Ha, 2002), Mark Duplass, Greta Gerwig und Joe Swanberg, die 2005 mit ihren Low-Budget Filmen beim South by Southwest Festival für erhöhte Aufmerksamkeit sorgten. Ihren Filmen, wie auch den der deutschen Kolleg*innen, ist gemeinsam, weiße Protagonist*innen in ihren Mitte 20ern aus der Mittelschicht ins Zentrum zu stellen. Meist geht es um Beziehungsgeschichten, die Liebe, das Leben. Die Teammitglieder der einzelnen Filmprojekte stehen im Austausch, gleich einer Gruppe an Filmstudierenden sind sie immer wieder in ähnlichen und neuen Konstellationen miteinander tätig. Jedoch einte die Mumbelcores kein dezidiertes Manifest: Die Formulierung blieb einfach, nachdem Bojalski sie anekdotenhaft in einem Indiewire-Interview fallen ließ.

Schauspielerin Greta Gerwig in „Hannah Takes the Stairs“ (2007) von Joe Swanberg ©Film Science

Improvisationen und das Private werden politisch

In Deutschland folgten dem Trend der Lo-Fi Filmpraxis hingegen auch explizit formulierte Manifeste. Neben Axel Ranisch erklärte Jakob Lass mit seinem Fogma-Team Visionen und Regeln für eine Art des Filmschaffens, für das u.a. „Reichtum in der Reduktion“ liegt, das auf enthierarchisierte Schaffensformen und ein Zusammenleben des Teams während des Drehs setzt. So entstanden die Impro-Film Love Steaks (2014) und Tiger Girl (2017). Die Improvisation sowohl der Darsteller*innen – darunter oft Laien – als auch des Teams hinter der Kamera ist fester Bestandteil, der Bruch mit Konventionen praktisch Programm.  In diesem Moment wird die Praxis des Filmschaffens politisch. Sie ist Ausdruck einer Haltung, die sich dezidiert den Mechanismen der Filmindustrie verweigert.

Tiger Girl von Jakob Lass ©Constantin Film Verleih

Das „Gemurmel“ steht im Gegensatz zu einem perfekten sprachlichen Ausdruck. Mit Spontaneität und Zufall arbeiteten auch bereits Klaus Lemke seit den 1960er Jahren oder Andreas Dresen, die von der jüngeren Impro-Generation auch als Inspiration genannt werden. In Kaptn Oskar (2013) lässt Tom Lass stolz Klaus Lemkes lobende Worte gegenüber seinem Film erklingen. Berlin als Drehort, Handkameras, Improvisation und ein loses Drehbuchgerüst finden sich natürlich in vielen anderen Filmen: z.B. Sebastian Schippers Victoria (2015) oder Nicole Gehrings Nico (2021), die in ihrem Stil und ihrer Vorgangsweise aber nicht Teil des Mumblecore bilden.

Manifeste generieren Aufmerksamkeit

Wozu dann eigentlich dieser Begriff? Labels und Manifeste tragen zweifelsohne dazu bei, Tendenzen und Filmschaffende sichtbar zu machen, da sie unter einem Namen und unter gewissen Vorzeichen mehr Aufmerksamkeit erlangen und diskutiert werden. Das soll aber auch keine Einschränkung bedeuten. Denn dass nach der Formulierung von Manifesten genauso schnell Brüche mit den Regeln derselben erfolgen, zeigte sich auch im Schaffen dänischen Dogma 95 Gruppe. Schlussendlich passt genau solch eine Vorgangsweise auch wieder zum generellen Programm des Regelbrechens. Bewegungen wie Dogma 95 oder die Mumblecore können zudem inspirierend für nachfolgende Filmemacher*innen sein. Georg Pelzer (Fluten 2019) begeisterte die Arbeitsweise von Lass und Co und deren Streben nach neuen Wegen (mehr dazu in unserer Folge 98).

Kreatives Paradies oder Selbstausbeutung?

Und wie steht es heute um das deutsche Gemurmel? In den letzten Jahren kamen So was von da von Jakob Lass (2018), Blind & Hässlich von Tom Lass (2017) oder Auf und Ableben von Luise Brinkmann (2020) oder Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste von Isabell Šuba (2013) heraus. Doch können vereinzelte Preisgelder und kreative Erfüllung die fortdauernde Selbstausbeutung bezahlt machen? Wie steht es darüber hinaus um das Wirken der Bewegung auf die Sender? Axel Ranisch hat inzwischen jedenfalls mehrfach fürs Fernsehen gearbeitet, darunter zwei improvisierte Tatorte realisiert. 

Tatort – Babbeldasch | ©SWR / Martin Furch

„Diese Filme sind eine Provokation. Die werden etwas verändern. Die Sender sehen das und überdenken ihre Haltung.“ berichtete Filmjournalist Dennis Demmerle 2012 vom Achtung Berlin Festival und reflektierte gleichzeitig, welche Probleme die erhöhte Aufmerksamkeit von Bewegungen innerhalb der Branche mit sich bringen können: die Beliebtheit bei der Kritik erhöht nicht zwingend die Rezeptionszahlen. Dieses „Problem“ scheint die Zusammenarbeit mit Sendern eher auszuschließen. Und außerdem: Wie würde eine solche Kollaboration zu den Forderungen der Manifeste passen? Can the Master’s Tools Dismantle the Master’s House?

Wenn Manifeste Bewegungen auslösen können, machen sie jedenfalls sichtbar, dass etablierte Formen in Frage gestellt werden können und sollen. Damit sorgen sie für eine größere Diversität an Schaffensformen und sorgen für einen sehr wichtigen Teil innerhalb der Filmlandschaft.

Weiterführende Literatur/Links

Indiefilmtalk Folge 98 mit Georg Pelzer – LINK

Symposium des Deutschen Filmmuseums (2014) – LINK

Filmjournalist/wissenschaftler Urs Spörri über German MumblecoreLINK

Liste mit deutschen Mumblecore-Filmen beim Filmportal – LINK

Malte Wirtz Buch Das Leben ist kein Drehbuch – Filmemachen ohne Geld (2020) – LINK

Axel Ranisch Interview beim SWR2 (04.08.2018) – LINK

Brainflicks Podcast über u.a. „Ich fühl mich Disco“ von Axel Ranisch – LINK

Filmkritik: Wie wichtig ist sie für die Sichtbarkeit des Films?

Filmkritiken, Rezensionen und Filmbesprechungen tragen ihren Teil dazu bei, dass ausgewählte Filmwerke einem öffentlichen Diskurs unterzogen werden. Die verfassten Texte, eingesprochenen Podcast’s oder YouTube-Formate ermöglichen eine weitere Streuung – ergo mediale Aufmerksamkeit. Trägt diese Form der Aufmerksamkeit zum vermehrten Konsum der Filme bei? Fungieren die Filmkritiker*innen demnach als Gatekeeper?

Welcher Film steht gerade im Fokus der Öffentlichkeit? Denn was besprochen wird, erlangt allgemeine Aufmerksamkeit – oder nicht? Zumindest sind die Filmschaffenden gespannt auf das Feedback aus der Presse. Wie wird dieser oder jener Film aufgenommen? Wie wird er analysiert? Findet er überhaupt Gehör bei den Filmkritiker*innen?

In unserer aktuellen Folge möchten wir den Staffelstab gerne an drei Filmkritiker*innen geben, die uns aus ihrer Perspektive heraus berichten, wie sie sich in ihrer Funktion wahrnehmen. Dunja Bialas (Filmkritikerin), Sidney Schering (Filmkritiker) und Antje Wessels (Filmkritikerin) berichten uns von ihrer Herangehensweise: Wie wird eine Filmkritik verfasst? Welche Verantwortung tragen die Verfasser*innen? Wie wertend darf eine Filmkritik sein und wie viel Objektivität ist möglich? 

Im Gespräch zeigen uns die drei, das Filmkritik nicht gleich Filmkritik ist und das es als professionelle*r Filmkritiker*in stets darum geht, fundiert, fair und wertschätzend gegenüber den Filmschaffenden und ihrem Werk zu bleiben.

Antje Wessels
Redakteurin u.a. bei Kino +, Rocket Beans TV
Wessels-Filmkritik – LINK

Dunja Bialas
u.a. Sprecherin und Vorstandsmitglied VdFk, Mitbegründerin Woche der Kritik, Redaktionsleitung Artechock
Artechock – LINK
Verband Deutscher Filmkritik (VdFk) – LINK
Leseempfehlung: Günter Rohrbach „Das Schmollen der Autisten“, erschienen im SPIEGEL 4/2007. – LINK

Sidney Schering
Medienjournalist u.a. bei Filmstarts, Filmlounge
Twitter – LINK 

Ähnliche Folgen:
#53 | Chancengleichheit: Nur ein Märchen?

Guest Podcast
1:32 STUNDE
20. Februar 2021

Filmstudies Bling Bling Episode 16

Host: Anna Luise Kiss | Podcast subject: Filmstudies | Language: Englisch/Deutsch | Lizenz: CC

//////////// English ////////////

In this episode, you can experience Tatiana Brandrup and Katrin Springer as „Bling of the months“. They report on their research project „Media collisions as drivers of innovation for new approaches of cultural heritage“. The projects origins are linked to the closure of the Sergei Eisenstein apartment in Moscow. The European Film Academy had declared the apartment a World Heritage Site. However, in the course of the political dismantling of the Moscow Film Museum, to which the Eisenstein cabinet officially belonged, it was closed down in 2018. In the „Collisisons“ project, the apartment will be reconstructed using virtual reality, information visualisation and 3D sound. The aim is to create an emotional and at the same time scientific experience that reconstructs the intellectual world of thought of the polymath Eisenstein and makes it explorable for the user.

(Talk in German, followed by an English summary 00:02:08-00:40:51)

https://collisions-eisensteinshouse.projekte-filmuni.de/

In the News Chapter Bianca Jasmina Rauch and Barbara Wolfram present their new feminist film podcast, „Ned Wuascht – Wir geh’n Fisch’n“

(In German 00:40:51-01:10:19)

https://nedwuascht.com/

//////////// Deutsch ////////////

In dieser Folge sind Tatiana Brandrup und Katrin Springer als „Bling of the months“ zu erleben. Sie berichten von ihrem Forschungsprojekt „Media collisions as drivers of innovation for new approaches of cultural heritage“. Die Ursprünge des Projekts stehen im Zusammenhang mit der Schließung des sogenannten „Eisenstein-Kabinetts“ in Moskau. Die europäische Filmakademie hatte das Kabinett zum Weltkulturerbe erklärt. Im Zuge der politischen Demontage des Moskauer Filmmuseums, zu dem das „Eisenstein-Kabinett“ offiziell gehörte, wurde es jedoch 2018 geschlossen. Im Projekt „Collisisons“ wird die Wohnung von Sergei Eisenstein mithilfe von Virtual Reality, Informationsvisualisierung und 3D-Sound rekonstruiert. Ziel ist es, ein emotionales und zugleich wissenschaftliches Erlebnis zu schaffen, das die Gedankenwelt des Universalgelehrten Eisenstein rekonstruiert und für die „User“ erforschbar macht.

(das Gespräch wurde in Deutsch geführt, gefolgt von einer englischen Zusammenfassung 00:02:08-00:40:51)

https://collisions-eisensteinshouse.projekte-filmuni.de/

Im „News Chapter“ stellen Bianca Jasmina Rauch und Barbara Wolfram ihren neuen feministischen Filmpodcast „Ned Wuascht – Wir geh’n Fisch’n“ vor. 

(das Gespräch wurde in Deutsch geführt 00:40:51-01:10:19)

https://nedwuascht.com/

Und Susanne Braun und Yugen Yah erzählen, was die vierte Staffel des „Indifilmtalk“-Podcasts zu bieten hat. 

(das Gespräch wurde in Deutsch geführt 01:10:19-01:20:06)

https://indiefilmtalk.de/

Im „Dear Diary“ geht es um das erste Culture Community Plenary von NFDI4Culture. Außerdem lädt Janna Heine zum „Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquim 2021“ ein.  

(das Gespräch wurde in Englisch geführt 01:20:06-01:32:04)

https://www.uni-weimar.de/de/medien/ffk2021/

The filmstudies podcast „Film Studies bling-bling“

„Film Studies bling-bling“ is about hidden and well-known treasures, big and small diamonds from Film Studies.
In each episode, we have a „Bling of the month“; scholars from Film Studies who are interviewed about their research. In the news section, you hear from current research projects or book publications, or whatever struck my way strolling around in the Film Studie’s universe.

The „Film Studies bling-bling“ Podcast is a Podcast from Dr. Anna Luise Kiss which was produced in the Filmuniversity Konrad Wolf. To keep this podcast visible for you we decided to add it to the Indiefilmtalk Catalogue in consultation with the podcast-creators.

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126 | Filmwissenschaft: Mehr als nur Theorie – LINK

Guest Podcast
1:27 STUNDE
20. Januar 2021

Filmstudies Bling Bling Episode 15

Host: Anna Luise Kiss | Podcast subject: Filmstudies | Language: Englisch/Deutsch | Lizenz: CC

//////////// English ////////////

In this episode, Natascha Drubek is the “Bling of the month”. She is an outstanding expert in Eastern European Film and Film History. She talks about her book „Filme über Vernichtung und Befreiung. Die Rhetorik der Filmdokumente aus Majdanek 1944-1945“. Furthermore, she gives insight into her current work on the book “The Theresienstadt Film Project”. In addition, she reports on the peer-reviewed academic OA-Journal “Apparatus”. (00:02:16-00:53:32)

http://www.apparatusjournal.net/index.php/apparatus/index

In the News Chapter, it’s all about the “Handbuch Filmgenre. Geschichte – Ästhetik – Theorie”, edited by Marcus Stiglegger. In addition to the handbook, the News Chapter will draw attention to the podcast “Projektionen – Kinogespräche” of which Marcus is co-host. Furthermore, a brief mention is made of the upcoming podcast “Dritte Klappe – Podcast für Film, Forschung und Wissenstransfer”. The News Chapter is in German. (00:53:32-1:23:39)

https://www.springer.com/de/book/9783658090166

In the Dear Diary Chapter, Anna Luise Kiss looks back on her research activities in 2020. (1:23:39) 

*** bitte verbreiten *** nutzen Sie gern die beigefügten Fotos und das Logo *** bei einer Verwendung des Fotos von Marcus Stiglegger bitte den Fotografen benennen: Sebastian Kiener

//////////// Deutsch ////////////

Diesen Monat ist Natascha Drubek als „Bling of the month“ zu Gast. Sie ist eine herausragende Wissenschaftlerin und forscht zum osteuropäischen Film und Filmgeschichte. Sie spricht über ihr Buch „Filme über Vernichtung und Befreiung. Die Rhetorik der Filmdokumente aus Majdanek 1944-1945“. Außerdem gibt sie einen Einblick in ihre aktuelle Arbeit an dem Buch „The Theresienstadt Film Project“. Des Weiteren geht es um die Geschichte und das Profil des peer-reviewed OA-Journal „Apparatus“.  (00:02:16-00:53:32)

http://www.apparatusjournal.net/index.php/apparatus/index

Im News Chapter dreht sich alles um das „Handbuch Filmgenre. Geschichte – Ästhetik – Theorie“, herausgegeben von Marcus Stiglegger. Neben dem Handbuch wird auf den Podcast „Projektionen – Kinogespräche“ aufmerksam gemacht, den Marcus als Co-Host rausgibt. Außerdem wird auf den neuen Filmuni-Podcast „Dritte Klappe – Podcast für Film, Forschung und Wissenstransfer“ hingewiesen. (00:53:32-1:23:39)

https://www.springer.com/de/book/9783658090166

Im Dear Diary Chapter blickt Anna Luise Kiss auf ihre Forschungsaktivitäten im Jahr 2020 zurück. (1:23:39)

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Guest Podcast
1:12 STUNDE
20. Dezember 2020

Filmstudies Bling Bling Episode 14

Host: Anna Luise Kiss | Podcast subject: Filmstudies | Language: Englisch/Deutsch | Lizenz: CC

//////////// English ////////////

In this episode, Senem Duruel Erkılıç is the „Bling of the month“. She is Film Scholar at the Radio, Film and TV Department at Mersin University (Turkey). Her academic field of study involves Turkish cinema, cinema-history and memory relationship, documentary film and film language. She talks about her book „Turk Sinemasinda Tarih ve Bellek“ („History and Memory in Turkish Cinema“) and her current research project titled „COVID-19 Pandemic and Crises of Turkish Film Industry“. (0:01:09-0:34:56)

http://apbs.mersin.edu.tr/saduruel

In the News Chapter, it’s all about the Podcast „The Cinematologists“. The creators Dario Llinares and Neil Fox give an insight into how the Podcast reflect their work as Film Scholars and how the Podcast developed over the years. (0:34:58-1:07:45)

http://www.cinematologists.com

In the Dear Diary Chapter, Anna Luise Kiss tells about the „Dial S for Screen Studies Conference“. (1:07:40-1:11:42)

https://sydneyscreenstudiesnetwork.com

//////////// Deutsch ////////////

In dieser Folge ist Senem Duruel Erkılıç als „Bling of the month“ zu Gast. Sie ist Filmwissenschaftlerin am Radio, Film and TV Department an der Mersin Universität (Türkei). In ihrer Forschung befasst sich Senem mit dem türkischen Kino und seiner Geschichte sowie den Beziehungen zwischen dem türkischen Kino, Geschichte und Erinnerung. In der Podcastfolge spricht sie über ihr Buch „Turk Sinemasinda Tarih ve Bellek“ („Geschichte und Erinnerung im türkischen Kino“) und ihr aktuelles Forschungsprojekt mit dem Titel „COVID-19 Pandemic and Crises of Turkish Film Industry“. (0:01:09-0:34:56)

http://apbs.mersin.edu.tr/saduruel

Im News-Kapitel dreht sich alles um den Podcast „The Cinematologists“. Die Hosts Dario Llinares und Neil Fox erzählen auf welche Weise der Podcast ihre Arbeit als Filmwissenschaftler wiederspiegelt und wie sich der Podcast über die Jahre entwickelt hat. (0:34:58-1:07:45)

http://www.cinematologists.com

Im Dear Diary Kapitel erzählt Anna Luise Kiss von der „Dial S for Screen Studies Conference“. (1:07:40-1:11:42)

https://sydneyscreenstudiesnetwork.com

The filmstudies podcast „Film Studies bling-bling“

„Film Studies bling-bling“ is about hidden and well-known treasures, big and small diamonds from Film Studies.
In each episode, we have a „Bling of the month“; scholars from Film Studies who are interviewed about their research. In the news section, you hear from current research projects or book publications, or whatever struck my way strolling around in the Film Studie’s universe.

The „Film Studies bling-bling“ Podcast is a Podcast from Dr. Anna Luise Kiss which was produced in the Filmuniversity Konrad Wolf. To keep this podcast visible for you we decided to add it to the Indiefilmtalk Catalogue in consultation with the podcast-creators.

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126 | Filmwissenschaft: Mehr als nur Theorie – LINK

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17. Dezember 2020

Genrekonventionen als kreative Quelle

Gerade jetzt, im Dezember, lesen und reden wir wieder viel über Weihnachtsfilme, oft kommt dabei auch das Thema „Genre“ zur Sprache – gibt es einen Typus von Weihnachtsfilm? Filme in Genrekategorien zu pressen, scheint oft überflüssig, beschränkend. In Wirklichkeit haben wir es aber pausenlos mit Genrekategorien zu tun, auch wenn diese nicht immer explizit ausgesprochen werden.

Von Erwartungen und Intuitionen

Lesen wir als Kinozuschauerinnen oder Streamingnutzerinnen in einer Beschreibung von einem Horror-, Liebesfilm, Polit-Thriller oder Historiendrama haben wir sofort gewisse Erwartungen gegenüber einem Film. Was wir uns etwa unter einem Horrorfilm vorstellen, müssen wir nicht jedes Mal hinterfragen, wir spielen intuitiv Erwartungshaltungen durch. Dieses Wissen ist kulturell angeeignet, wir lernen es, indem wir Genrefilme schauen. Beispielsweise hat der Großteil des deutschsprachigen Publikums wahrscheinlich mehr Vorstellung vom alpenländischen Heimatfilm als vom Martial Arts Film oder einer Nollywood Tragikomödie. So sicher wie Cottbus in Deutschland liegt wird ein genretreuer Weihnachtsfilm seine Handlung in der Weihnachtszeit ansiedeln. Um vom Großteil des Zielpublikums verständliche Genrekategorien kommen wir in Film- oder Serienbeschreibungen kaum umhin.

Links: Happiest Season – D: Clea DuVall – © 2020 CTMG; Rechts: Stirb langsam – D: John McTiernan – © 20th Century Fox

Oft werden die Begriffe Genre, Format, Welle und Label synonym verwendet, was besonders im Hinblick auf (Post-)Migrantisches und Queeres Kino auch seine problematische Seiten hat (genaueres dazu in Ep. 91 bzw. im Beitrag zu New Queer German Cinema). Die Verwendung von einzelnen Genrebegriffen ist aber nicht nur in der Rezeption und im Vermittlungs- und Distributionskontext relevant, sondern auch schon im Entstehungsprozess eines Films und wird für erzählerische und stilistische Entscheidungen richtungsweisend.

Die Mischung macht’s – ein Genre kommt selten allein

Ein Film ist selten exklusiv einem Genre zuordenbar, viel häufiger haben wir es mit Crossovers, mit Genremischungen zu tun. Aus neuen erfolgreichen Kombinationen entstehen dann auch oft eigene neue Genres, wie am Beispiel des Dark Dramas deutlich wird: Es verbindet das (Psycho-)Drama mit Elementen aus dem Horrorfilm, Thriller, Mystery oder Science-Fiction (vgl. Ep. 44 zum Dark Drama). Mark Wachholz erklärt, wie nach und nach einige Filme einem ähnlichen Stil folgten und so ein Genre für sich – das Dark Drama – entstehen ließen. Solche Schritt-für-Schritt Entwicklungen sind für die Geschichten einzelner Genres typisch. Wenn das Publikum nach einer Zeit von einem Erzählstil übersättigt ist, flaut ein Trend manchmal wieder ab – wie etwa die Rom-Com Welle um die 2000er zeigte –, bis neue Ideen aufkommen oder ein Kassenschlager wieder innovativere Formen anregt.

Berlin Alexanderplatz – D: – Burhan Qurbani – © Stephanie Kulbach

Wie können nun diese Beobachtungen fürs Filmschaffen relevant werden? Es lohnt sich, sich mit einer Reihe von Filmen zu beschäftigen, die einem Genre zuzuordnen sind: Wie geht ein Film mit Konventionen um? Wie beeinflusst die Konvention des final girls die Erzählung eines Slasher-Films oder welche Stimmung erzeugt typische Westernmusik? Wie kombiniert Single Bells (Xaver Schwarzenberger, AT 1998) den klassischen US-amerikanischen Weihnachtsfilmtypus mit komödiantischem österreichischem Lokalkolorit? Detailverliebte Genrefilme, experimentierfreudigere Mischungen, parodistische Elemente und Zitate auf vorangegangene Filme sind oft sichtbare Erfolgsrezepte von anerkannten Filmautor*innen. Quentin Tarantino spielt z.B. mit Elementen des Italowestern oder des japanischen Historienfilms und baut stets zahlreiche Verweise ein (mehr darüber in Ep. 58); Jessica Hausner kann ihr Publikum nur in die Irre führen, weil es die Erzählkonventionen von Genrefilmen so sehr verinnerlicht hat. Thelma und Louise (Ridley Scott, USA 1991) wurde zum großen Erfolg u.a. weil erstmals in einem Hollywood Roadmovie zwei Frauen hinterm Steuer saßen – Genrekonventionen sind nicht unabhängig von Gendervorstellungen (auch Thema des Genrenale Panels „Neu Deutsche Genreheld_innen“).

Parasite – D: Bong Joon Ho – © Koch Films

Ein wesentliches Merkmal, das jedes Genre auf unterschiedliche Weise prägt, sind seine Stimmung und Wirkung: Ein Melodram bringt uns zum Weinen, ein Horror zum Fürchten, ein Pornofilm zur Erregung, eine Komödie zum Lachen. Dass Parasite (Bong Joon-ho, KOR 2019) bei vielen Zuseher*innen einen so großen Eindruck hinterlassen hat, liegt auch an seinem unerwarteten Stimmungswechsel und seiner Kombination aus Genreelementen. Denn beim Schauen eines Films sind wir es gewohnt, tendenziell mit ein oder zwei Stimmungslagen konfrontiert zu sein, dementsprechend polt sich unsere Erwartungshaltung – nicht so bei Parasite!

Gegen Prestige und Hierarchie

Auch angesichts häufiger Neukombinationen und Brüche, gehen mit einzelnen Genres stets bestimmte Erwartungshaltungen und Konventionen einher. Im deutschsprachigen, Arthouse-geprägten Raum kam dem „nach Rezept gedrehtem“ Genrefilm lange Zeit ein schlechter Ruf bei: der Filmtheoretiker Rudolf Arnheim wertete das „Konfektionskino“ in den 1930er Jahren ab, stellte es als Gegensatz zu einem künstlerischeren Autorinnenfilm dar. Diese Ansicht prägte die Wertung von Genrefilmen noch lange Zeit und ist auch heute spürbar, wenn wir Autorinnen- oder Arthousefilm einem Mainstream, der mehr mit der Erfüllung von Konventionen in Verbindung gebracht wird, gegenüberstellen. Zugleich hat aber das kreative, nicht-abwertende Spiel mit Genrekoventionen dazu beigetragen, die Sicht auf Genrekinos zu verändern. Dazu tragen positiv auch Sektionen von Filmfestivals bzw. eigene Festivals wie die Genrenale bei.

Innerhalb des weiten Pools an Genrekategorien dominieren aber immer noch unterschiedliche kulturelle Wertungen, sodass Western oder Science-Fiction Filmen im öffentlichen Diskurs von vielen, v.a. von Seiten der Filmkritik, immer noch ein höheres Prestige zugesprochen wird als Liebesdramen oder Kinderfilmen. Gründe für dieses Ungleichgewicht sind in größeren gesellschaftlichen Schieflagen zu finden und leider nicht so einfach wegzuwischen (höre auch dazu Ep. 91). Inzwischen bleibt zu hoffen, dass solche Wertungen einmal der Vergangenheit angehören werden – ein Wunsch an den Geist der künftigen Weihnacht und ans beginnende neue Jahrzehnt.

Styx – D: Wolfgang Fischer – © Filmladen Filmverleih

Weiterführende Episoden, Panel und Artikel:

  • EP44 – Das Dark Drama und der deutsche Film – LINK
  • EP 91 – Vielfalt im Film – New Queer Cinema – LINK
  • #03 Genrenale Panel „Neue Deutsche Genreheld_innen“ – LINK
  • Beitrag: Was ist eigentlich New Queer German Cinema? – LINK

Literatur:

  • Braidt, Andrea B. Film-Genus: Gender und Genre in der Filmwahrnehmung. Marburg: Schüren, 2008.
  • Moine, Raphaëlle, Radner, Hilary & Fox, Alistair, Cinema Genre. Hoboken: John Wiley & Sons, Incorporated, 2008.
  • Stiglegger, Marcus (Hg.), Handbuch Filmgenre : Geschichte – Ästhetik – Theorie. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden: Springer VS, 2020.
  • Wachholz, Mark: Höllentrips aus der Postmoderne. Eine Bestimmung des Genres Dark Drama. Berlin 2104. – LINK

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